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Zukunft säen –
Vielfalt ernten

Saatgutkampagne für krisensicheres und samenfestes Saatgut!

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Weitere Informationen:
Hof Ulenkrug, Stubbendorf 68, 17159 Dargun
info@saatgutkampagne.org

5. Europäische Saatgut-Tagung
Kulturpflanzenvielfalt für alle“
25.-27.3.2010 in Graz/Österreich



Neue Bürokratie für alte Sorten

Bisher war der Verkehr von Saatgut nicht eingetragener Sorten in den meisten Ländern nicht geregelt. Deshalb hat die EU-Kommission im Juni 2008 eine Richtlinie für die Erhaltung von landwirtschaftlichen Arten und Sorten vorlegt. Diese soll die Vermarktung von Landsorten, regional angepassten oder vom Aussterben bedrohten Sorten regeln. Darunter werden auch die meisten Sorten aus biologischer Züchtung fallen, sowie von Bauern und Bäuerinnen selbst gewonnenes Saatgut und Sortengemische. Eine entsprechende Richtlinie für Gemüse soll folgen. Organisationen, die sich für die Erhaltung und Entwicklung der Sortenvielfalt und eine ökologische Landwirtschaft einsetzen, wurden in der Vorbereitung zwar angehört, aber von ihren Vorschlägen ist kaum etwas übrig geblieben. Die sogenannte „Erhaltungsrichtlinie“ verfehlt das Ziel, den Verlust an biologischer Vielfalt in der Landwirtschaft aufzuhalten und das Saatgutrecht zu vereinfachen. Immerhin ermöglicht sie Züchtern und Züchterinnen endlich regionale Sorten und Sorten für die biologische Landwirtschaft, einzutragen. Andererseits baut sie bürokratische Hürden für die Eintragung auf und droht die Verbreitung nicht eingetragener Sorten zu unterbinden.

Drei Anforderungen sind besonders absurd und mit enormem Kontroll-Aufwand verbunden:

Der Nachweis über die Bedeutung einer Sorte für die Erhaltung der Pflanzenvielfalt;

die starke regionale Bindung der Sorten an ihr Herkunftsgebiet;

die quantitative Beschränkung ihres Anbaus prozentual zu den üblichen Handelssorten.

So soll verhindert werden, dass alternatives Saatgut der Saatgutindustrie auch nur einen Teil ihres Marktes streitig machen kann, und es ist zu erwarten, dass die Richtlinie die Verbreitung der Pflanzenvielfalt auf einige wenige Arten und Sorten beschränken wird, für die sich der bürokratische Aufwand wirtschaftlich lohnt. Besonders betroffen sind Länder, wie die Türkei oder Rumänien, in denen ein großer Teil der üblichen Sorten nicht auf den Listen der EU-Staaten steht, weil die Bauern und Bäuerinnen das Saatgut selbst gewinnen und vermarkten. Dort hat diese Richtlinie verheerende Auswirkungen.

Die Interessen der europäischen Saatgutindustrie werden durch den internationalen Verband zum Rechtsschutz von Pflanzenzüchtungen „UPOV“ auf allen Kontinenten vertreten. Die von der EU beschlossene „Erhaltungs“-Richtlinie droht bei Anwendung in anderen Teilen der Welt zu einer regelrechten „Verbots“-Richtlinie für alles einheimische Saatgut zu werden.



Geistige Eigentumsrechte auf alle KulturPflanzen ?

Die Saatgutkonzerne fordern, dass ihre Rechte gestärkt werden. Aus ihrer Sicht entgehen ihnen immer noch 40% des europäischen Saatgutmarktes durch, wie sie behaupten, „illegalen Nachbau“ und den Anbau von nicht zugelassenen Sorten. Die Gentechnik bietet für die Industrie eine ideale Lösung, ihre geistigen Eigentumsrechte zu sichern, weil gentechnisch veränderte Sorten patentiert und auf den Feldern eindeutig festgestellt werden können. Die Bauern und Bäuerinnen sind vertraglich gebunden und die Industrie kann jederzeit gegen einen Bauern wegen illegalem Nachbau klagen, wenn sie auf seinem Feld Spuren ihrer Patente nachweisen kann. Die Prozesse von Monsanto gegen Percy und Louise Schmeiser in Kanada sind die bekanntesten von vielen Fällen in Nordamerika.

In Europa und in vielen anderen Teilen der Erde stösst die Gentechnik allerdings auf eine breite Ablehnung, so dass die Saatgutindustrie hier nach anderen Wegen sucht. Sie fordert in den Verhandlungen um ein neues Saatgutverkehrsgesetz, dass Sorten durch genetische Marker identifiziert werden. Diese Forderung bezieht sich eindeutig auf den Sortenschutz , soll aber schon jetzt gesetzlich verankert werden. Mit genetischen Markern wollen die Konzerne die Nachweisbarkeit ihrer Sorten auf den Feldern und im Erntegut sichern, wodurch der Nachbau einer Sorte durch Bauern nachgewiesen werden kann. Allerdings ist eine Genequenz auch bei zufälligen Einkreuzungen in Nachbars Getreide nachweisbar.



Patente auf Sorten

Schon jetzt haben Saatgutkonzerne Patente auf nicht gentechnisch manipulierte Pflanzen angemeldet. Beispiele dafür sind die „Antischrumpeltomate“ (EP 1069819 B1), antikarzinogen wirkender Brokkoli (EP 1587933 B1) und eine Melone mit besonders hohem Zuckergehalt (EP 1587933 B1). Gegen all diese Patenteintragungen gibt es breite Proteste. Durch die Einführung molekularer Marker zur Identifizierung der Sorten würden alle KulturPflanzen mit einem Schlag patentierbar, der Widerstand gegen einzelne Patente sinnlos.

Darüber hinaus macht die Saatgutindustrie weiterhin Druck, um der Gentechnik in Europa zum Durchbruch zu verhelfen: Sie weigert sich, ihre Verantwortung für die Folgen der Gentechnik anzuerkennen und beharrt auf Schwellenwerten, die gentechnische Verunreinigungen in Saatgut ohne Kennzeichnung erlauben.

Die Konzerne wollen die Vorteile von Patenten auf Pflanzen auch ohne Gentechnik nutzen. Sie fordern deshalb von der EU, dass

1. die Vorteile des Patentrechtes den bisherigen Sortenschutz ergänzen und die Identifikation aller Sorten auf dem Feld durch molekulare Marker ermöglicht wird;

2. die Prüfung für die Zulassung der Sorten von der Saatgutindustrie selbst durchgeführt werden kann;

3. bäuerliches Saatgut und Nachbau wegen Wettbewerbsverzerrung und sanitärer Gefahren verboten wird;

4. ihre Monopolrechte auf eine zugelassene Sorte von 25 auf 30 Jahre ausgedehnt werden.

Damit droht die Landwirtschaft in eine völlige Abhängigkeit von den wenigen Saatgutkonzernen zu kommen, die - nicht zufällig - mit den grossen Chemiekonzernen eng verflochten sind. Die Sortenwahl entscheidet über die Notwendigkeit chemischer Dünger oder Spritzmittel, künstlicher Nährlösungen im Gemüsebau und den Wasserbedarf. Bauern, die sich auf diese Abhängigkeit eingelassen haben, geben heute bereits fünfmal mehr für Kunstdünger und Spritzmittel aus, als für Saatgut.



Die weltweite Situation zwingt uns zum Umdenken

Die in Brüssel ausstehenden Entscheidungen über Saatgut betreffen nicht nur die Saatgutkonzerne und Landwirte, sie betreffen die Ernährung von allen. Deshalb wollen wir mit unseren Vorschlägen eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit beginnen. Saatgut ist die Grundlage des Lebens – Jahrtausende lang hat eine Vielfalt von Sorten und Saaten die Menschheit ernährt. Für unsere Ernährungssouveränität sind die an uns weitergegebenen KulturPflanzen der grösste Schatz.

Die Erhaltung und Entwicklung dieses Schatzes muss Ziel einer neuen Saatgutgesetzgebung sein. Anstatt Monokulturen mit hoch spezialisierten Pflanzen, müssen regional angepasste Sorten gefördert werden. Dies bedeutet eine Vielfalt von Sorten entgegen einem „Weltmarkt“ für wenige Sorten. Sorten dürfen nicht in abgegrenzte Regionen verbannt und aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen werden. Vielmehr muss die Zucht regional angepasster Sorten unterstützt werden. Dafür müssen Förderungs- und Finanzierungsinstrumente entwickelt werden. Die Landwirtschaft muss aus dem hohen Energieverbrauch mit Hilfe von regional angepassten Sorten aussteigen. Sie muss die Bodenfruchtbarkeit wieder in den Vordergrund stellen, anstatt durch Überdüngung den Boden zu zerstören und klimaschädliche Lachgase freizusetzen.

Gentechnikfreies Saatgut ist die Grundvoraussetzung für die Erzeugung gentechnikfreier Nahrung.

Deshalb fordern wir Nulltoleranz für gentechnische Verunreinigungen in gentechnikfreiem Saatgut. In der Überarbeitung des Saatgutverkehrsrechts liegt auch die Chance, mehr Transparenz zu schaffen. Alle gentechnischen und sonstigen Methoden, die bei der Züchtung einer Sorte verwendet wurden, sollen bei der Anmeldung einer neuen Sorte bekannt gemacht werden. Das wird zu einer wirklichen Information der Öffentlichkeit und zum Schutz vor unbekannten Folgen beitragen.

Das sind hochgesteckte Ziele. Ihre Umsetzung beginnt damit, dass Bauern und Bäuerinnen wieder das Recht haben, Saatgut aus ihrer Ernte zu gewinnen und zu vermarkten, wie sie es seit Jahrtausenden getan haben. Sie sind es, die den Pflanzen die Möglichkeit geben, sich an die lokalen Bedingungen anzupassen. So wird die Pflanzenvielfalt wieder eine Grundlage unserer Ernährung. Das muss in der europäischen Saatgutgesetzgebung verankert werden.

Im weltweiten Zusammenhang muss die Politik der „UPOV“ dahingehend geändert werden, dass die Rechte der Bauern und Bäuerinnen gesichert werden. 40 Jahre lang hat die Chemie- und Saatgutindustrie behauptet, dass sie den Hunger in der Welt bekämpft. Stattdessen ist er immer größer geworden und der Energieverbrauch stetig gestiegen. Vor einem Jahr endlich hat der Weltagrarbericht IAASTD der Weltbank, von mehreren hundert Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus der ganzen Welt erarbeitet, festgestellt, dass der größte Beitrag für die Welternährung von den Kleinbauern und -bäuerinnen erbracht wird. Auch der Weltagrarbericht fordert eine Wende in der Landwirtschaftspolitik.



Vorschläge für eine europaweite Saatgut-Kampagne

Wir hoffen, dass sich viele Gruppen und weitere Initiativen dieser Saatgutkampagne anschließen, um mit Aktionen möglichst viele Menschen auf diese brennenden Fragen aufmerksam zu machen. Aktionen können nach Belieben regional, landesweit oder länderübergreifend geplant, koordiniert und auf der Webseite der Saatgutkampagne angekündigt und dokumentiert werden.n.

Vorschläge für Aktionen:

1. „Zukunft säen“: Im vergangenem Jahr haben in der Schweiz 40 Bauern die Menschen ihrer Umgebung eingeladen, ein Feld mit einer regional angepassten Sorte gemeinsam einzusäen und für die Aufrechterhaltung des Moratoriums gegen Gentechnik in der Schweiz zu demonstrieren. Bei derartigen Veranstaltungen entstehen wieder Verbindungen zwischen den Menschen rund um die Fragen der Ernährung. Ein solcher Tag kann von vielen Bauern und Bäuerinnen durchgeführt, beliebig ergänzt und ausgefüllt werden.

2. Im Juni 2009 fanden die Wahlen zum Europaparlament statt. Wir werden die neu gewählten Abgeordneten im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments über die drohenden Auswirkungen der geplanten EU-Saatgutrichtlinien informieren, und fordern, dass sie dazu Stellung beziehen.

3. Um möglichst viele Menschen an der Diskussion über eine neue Saatgutgesetzgebung zu beteiligen, suchen wir Unterstützung für die Unterschriftenaktion „Zukunft säen - Vielfalt ernten“. Auch Vereine, Kirchgemeinden, Schulklassen, Bürgerinitiativen können den Aufruf unterschreiben.

4. Ähnliche Saatgutinitiativen finden in anderen europäischen Ländern statt. Im März 2010 koordinieren wir diese beim V. Europäischen Saatguttreffen in Graz (Österreich) und planen eine gemeinsame Aktion zur Übergabe unserer Forderungen in Brüssel.

Initiatoren:

IG für gentechnikfreie Saatgutarbeit

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)
Interessengemeinschaft Nachbau

Notkomitee für die Erhaltung der Weizenvielfalt ohne Gentechnik


Unterstützer:

Basler Appell gegen Gentechnologie


Texte:

Wer das Saatgut beherrscht..“
von Heike Schiebeck,











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